Montag, 12. Dezember 2005

filme als argumente ---- VI

wir finden escape from woomera auf dem teiler. diese modifikation eines computerspiels verleitete den australischen innenminister zu dem ausspruch: "aus unseren detention centers kann man nicht ausbrechen!"



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filme als argumente. teil VI
EscapeFromWoomera_v084
44,1 mb
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escape from woomera ist die detailgetreue nachempfindung eines australischen flüchtlingslagers als level des computerspiels half-life. die autoren dieser game-modifikation haben selbst nie einen fuß in das camp gesetzt (so wie es auch dokumentarfilmern nie erlaubt wurde, das lager zu betreten). sie konstruierten das lager und seine abläufe nach plänen und beschreibungen, die ihnen von inhaftierten auf kleinen papierstücken über den zaun zugeworfen wurden. man spielt das spiel aus der perspektive eines neu angekommenen flüchtlings, ziel ist es, dem lager zu entfliehen. das ist sehr schwierig und sehr langweilig.



die begründung, warum das spiel in dieser filmreihe vorgestellt wird, ist etwas indirekt. sie hängt mit der beobachtung zusammen, dass man sich offenbar viel eher genötigt fühlt, auf worte zu antworten als auf filme. das hat vielleicht etwas mit durchsichtigkeit zu tun. man muss durch die welt, die der film präsentiert, hindurchsehen, um die entscheidungen zu erkennen, die ihm zu grunde liegen. und erst im text dieser entscheidungen kann das argument des filmemachers liegen.

politische game-modifikationen haben es in dieser hinsicht noch schwerer. hier sind zwei schichten unsichtbar zu machen: zum ersten die ebene dessen, was man sieht (das entspricht dem filmischen), zum zweiten die ebene der entscheidungen des game-designers, der die interaktionsregeln festgelegt hat.
erst dann kann man klar sehen, was der autor der modifikation in die gestaltung des levels hineingelegt hat.

der grund der großen aufregung in den australischen medien war daher bestimmt nicht das "argument" des spiels. viel eher wohl, dass irgendwelche linke das als anti-politisch angesehenen medium computerspiel für agitativ-dokumentarische zwecke benutzen. das funktioniert halt leider nur einmal.


http://www.escapefromwoomera.org

Freitag, 25. November 2005

filme als argumente ---- V

wir finden avantgarde? von daniel kunle und monika preischl auf dem teiler. emigholz bezeichnet sauter als einen widerspruch in sich selbst.



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filme als argumente. teil V
kunle.preischl - avantgarde.mpg4
mb, 25'24''
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- HIER BEI ART+COM, WIR MACHEN AVANTGARDE. ALSO WIR VERSUCHEN ZU ANTIZIPIEREN, WAS IN DEN NÄCHSTEN FÜNF JAHREN IN DIESEM BEREICH PASSIERT
|| CUT ||
- JEMAND, DER SICH SELBST ALS AVANTGARDIST BEZEICHNET, IST MEINES ERACHTENS EIN WIDERSPRUCH IN SICH SELBST.


dieser eine schnitt, irgendwo im letzten drittel, fasst das prinzip des films auf wunderbare weise zusammen. in diesem schnitt produziert der film zwei öffentlichkeiten.

1. er öffnet einen widerstreit zweier positionen, der innerhalb der etablierten uni-öffentlichkeiten (eröffnungsveranstaltung, image-broschüren, studienordnung, studiengangs-evaluation) niemals offenbar würde. er produziert erst die öffentlichkeit dieses widerspruchs, indem er den beiden aussagen einen gemeinsamen raum gibt.
2. durch die reduktion auf bloßes interviewmaterial von uni-professoren, hart geschnitten; durch diese sperrigkeit sagt der film recht deutlich: "dies ist ein diskurs, wie er zwischen den bestimmten köpfen in der uni geführt werden könnte – und ihr seid nicht dabei". er verwässert nicht seine botschaft durch illustrierende bilder aus dem studiengeschehen (er will nicht "das thema avantgarde" behandeln), sondern er isoliert die lehrenden-öffentlichkeit von der zuschauer-öffentlichkeit. im grunde ist so etwas notwendig, um sich klar zu werden, welche einzelinteressen hier an der uni welche tendenzen verursachen.

dieser film ist argument dadurch, dass er eine öffentlichkeit produziert, wo vorher keine war. argument durch bloßen schnitt von fremden argumentationen.
mehr filme wie diesen!

filme als argumente ---- IV

wir finden nicht löschbares feuer von harun farocki auf dem teiler. die letzte szene dieses films wurde gedreht, um in einem wanderkino in ingenieursschulen gezeigt zu werden. es ging um die politisierung technischer studenten.


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filme als argumente. teil IV
harun farocki - nicht loeschbares feuer.mpg4
468,7 mb, 31'29''
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WENN WIR IHNEN EIN BILD VON NAPALM-VERLETZUNGEN ZEIGEN, WERDEN SIE DIE AUGEN VERSCHLIESSEN. ZUERST WERDEN SIE DIE AUGEN VOR DEN BILDERN VERSCHLIESSEN. DANN WERDEN SIE DIE AUGEN VOR DER ERINNERUNG DARAN VERSCHLIESSEN. DANN WERDEN SIE DIE AUGEN VOR DEN TATSACHEN VERSCHLIESSEN. DANN WERDEN SIE DIE AUGEN VOR DEN ZUSAMMENHÄNGEN VERSCHLIESSEN. WIR KÖNNEN IHNEN NUR EINE SCHWACHE VORSTELLUNG DAVON GEBEN, WIE NAPALM WIRKT. [hier drückt sich farocki bildfüllend eine zigarette auf dem handrücken aus und referiert die verbrennungstemperaturen von zigaretten und napalm]

farockis film genügt sich nicht damit, sich der logik "aufklären durch unmittelbares zeigen" zu verweigern. ebensosehr will er filmisch sein, inszenieren, kraft aus dem fiktiven ziehen (auf der seltsameny zwischen van gogh und debord skizzierten achse befindet er sich damit irgendwo mittig). doch er tut das auf gebrochene weise, mit mechanischen dialogen, didaktischer texteinblendung und dem "prinzip der minimalen veränderung". alles scheint aus dem glauben an eine wirksamkeit von film gemacht zu sein, in etwa: die kraft des leitmediums film, denken und handeln zu beeinflussen. filmemacherei daher in erster linie dem gesellschaftlichen verpflichtet.
wann ist dieser glaube eigentlich auf der strecke geblieben, und was können wir an seine stelle setzen?

filme, die heutzutage agitieren wollen (für eine überzogenen ideologie der individualität, für allgegenwärtige kommunikation, etc.: die meiste elektronikprodukt-werbung beispielsweise), beziehen ihre dramaturgie aus der medienwirkungsforschung, nicht aus rezeptionsästhetischen überlegungen.


PS:
manche von vgl. würden gerne ein video machen, das in einem wanderkino in interaction-design-klassen gezeigt würde. es würde über den zusammenhang von technisch-kommunikativer ausdifferenzierung einer gesellschaft und ihrer unrevolutionierbarkeit gehen (über den sich carl schmitt schon gefreut hatte)
wer mitmachen möchte, antworte auf diese mail.

filme als argumente ---- III

wir finden fcp4 von robert luxemburg auf dem teiler. kein noch so lange im garten vergrabenes celluloid hat einen so komplexen und relevanten materialbezug wie diese filmdateien.

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filme als argumente. teil III

wb.small.mov 013.3 MB 3'32''
wb.png 20 KB
fcp4.mov 571.7 MB 1'36''

von Robert Luxemburg
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ANY DIGITAL PIECE OF "INTELLECTUAL PROPERTY" IS A SIMPLE MATHEMATICAL DIFFERENCE OF TWO OTHER DIGITAL PIECES OF "INTELLECTUAL PROPERTY" AND CAN BE GENERATED WITH A RELATIVELY SIMPLE AND FULLY LEGAL SHELL SCRIPT (LUXEMBURG'S LAW)

robert luxemburgs arbeit besteht in einer abspielbaren filmdatei und einer bilddatei. errechnet man die differenz aus den einzelbildern des films und der bilddatei, so erhält man die installationsdatei von final cut pro 4.
was auf den ersten blick ungefähr so wichtig wirken mag wie versteckte botschaften auf heavy-metal-platten, ist tatsächlich ein kluger kommentar auf das konzept "geistiges eigentum" in einer sich digitalisierenden gesellschaft. wo alles aus einsen und nullen besteht, hat film die gleiche materialität wie beispielsweise sein produktionsmittel, das schnittprogramm, und kann es folglich auch enthalten. im fall von luxemburg ist es jedoch nicht schlicht eine datei, die eine andere enthält. es sind zwei dateien, die jede für sich keine einzige zeile der zieldatei enthalten, und damit als visuelle produkte unbestreitlich "geistiges eigentum" des erstellers sind.
das wort "unbestreitlich" ist natürlich kaum mehr als eine rhetorische formel – in den digitalen belangen legen die gerichte ja ausnahmsweise nicht so viel wert auf theoretische kohärenz. aber das ist genau das anliegen der arbeit: das konzept "geistiges eigentum" durch sich selbst zu widerlegen.
und: dieser film ist argument nur aus seiner materialität heraus, nichts davon spricht er aus, wenn man ihn abspielt.

filme als argumente ---- II

wir finden theo van goghs "submission" auf dem teiler. wegen diesem film wurde er umgebracht.

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filme als argumente. teil II
Submission (Part I)- Theo van Gogh - Ayaan Hirshi Ali - MPEG2.mpg
150,5 mb, 10'52''
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submission ist aus zweierlei hinsicht interessant für unsere reihe. zum einen ist der film fast nichts als aussage an eine öffentlichkeit – unleugnebar spätestens, als er eine reaktion hervorrief, die auf keinen fall mehr als gegenargument verstanden werden konnte.
zum anderen ist er gutes beispiel für die tendenz der kombination von pars pro toto und mitteilungswillen, unsauber und manipulativ zu werden.
pars pro toto als erstes mittel der abstraktion im filmischen. vielleicht ist das der grund, aus dem debord in seinem film (teil I dieser reihe) vermeiden wollte filmisch zu werden – das einzelne sprechen zu lassen.
es stehen filme aus, die sich zwischen diesen beiden polen befinden.



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Katja Diefenbach ueber UEBERSCHREITUNGSSTRATEGIEN, die nach rechts wirken:
THEO VAN GOGH und MICHEL HOUELLEBECQ
Die beiden teilen eine Reihe von Ueberschreitungswitzen, darunter den Islam als vormoderne Wuestenreligion darzustellen und sich einen Wie-geil-ist-das!-Lustgewinn zu verschaffen, indem sie ihre Transgression sexualisieren, was Van Gogh auch gerne im Stil Wer-traeumt-heute-von-Vergewaltigung-im-KZ machte. Sie eint der froehliche Wille, spiessiges Gutmenschengelabere anzugreifen, was eigentlich nicht schlecht ist. Nur wollen sie vergessen, dass die Kritik an der Peinlichkeit linken Moralismus schon im Punk begann. Ihr Anti-PC-Diskurs geilt sich an der irre vergroesserten Vorstellung eines Korrektheitsmeinungsterrors auf, um lustig reaktionaere Vorschlaege unterbreiten zu koennen. Sie sind die juengsten Erben kapitalistischer Ueberschreitungskultur, um endlich auch mal von Kultur zu reden, in der ein Imperativ darin, besteht, sich zu entaeussern und entgrenzend voranzuschreiten, waehrend gleichzeitig munter Wertekonservatismus modernisiert wird.

filme als argumente ---- I

wir finden guy debord auf der kiste. leider nicht seinen film 'hurlements en faveur de sade':

"Als die Lichter im Saal wieder angingen, gab es auf der Stelle Protestgemurmel. Leute standen herum, und einige davon hielten wütende Reden. Ein Mann drohte, seine Mitgliedschaft beim ICA zu kündigen, wenn man ihm nicht das Eintrittsgeld zurückerstattet. Ein anderer klagte lauthals, er und seine Frau seien extra aus Wimbledon angereist und hätten sich einen Babysitter genommen, weil sich keiner von ihnen den Film entgehen lassen wollte. Diese Proteste waren so sonderbar, man hätte meinen können, Debord sei persönlich anwesend und habe in seiner Rolle als Mephisto diese biederen Engländer hypnotisiertk, damit sie sich selbst zum Narren machten.
[…] Hinterher kam einem zu Bewusstsein, dass Debords Einsatz von Leere und Schweigen auf die Nerven der Zuschauer zielte, um sie am Ende ein 'Geheul für Sade' anstimmen zu lassen."
(nach: greil marcus, Lipstick Traces)

statt dem film zum geheul finden wir "la societé du spectacle" in zwei dateien. ein film wie dieser bildet den äußersten rand unseres fokus. als bebilderte thesenstrecke ist er definitiv diskussionsbeitrag – jedoch übermittelt er seine nachricht, statt sie zu sein. mit kalkül, wohlgemerkt:

ON POURRAIT RECONNAITRE ENCORE QUELQUE VALEUR CINEMATOGRAPHIQUE A CE FILM SI CE RYTHME SE MAINTENAIT. ET IL NE SE MAINTIENDRA PAS.
, so der zwischentitel nach dem ersten drittel des films. abkehr vom cinematographischen also, um als argument glaubwürdig zu bleiben. ob das die wirklich die bedingung ist, möchten wir anhand der nächsten funde im teiler prüfen.

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